Dienstag, 15. März 2011

Programmtod

Nach Rücksprache mit dem Leiter des Kulturforums Hellersdorf
a) findet die avisierte Veranstaltung im April 2011 nicht statt,
b) ist kein Termin festgelegt, wann eine entsprechende Veranstaltungsreihe beginnen würde.

Sonntag, 13. März 2011

Todeszucken ...

Haben wir uns übernommen?
Liegt es nun daran, dass die Februar-Lesung mehrere Mängel zeigte, haben wir die vorher nur überspielt, war das "Hinterland" zu schwach, ... kam alles zusammen? Ausgerechnet, wo noch eine Expansion in Sicht war, steht wohl die absolute Implosion ins Haus.
Brunhild Hauschild bot zu den "zwei Seiten" Brunhild Hauschild dies:

Zwei Seiten vom Geld
Jeder, der Geld hat, hat ein Problem,
ständig will der die Knete mehren.
Der, der fast nichts hat, lebt recht bequem,
der braucht sich darum nicht zu scheren.
Der, der fast nichts hat, hat doch Sorgen,
bangt um die Arbeit, sorgt sich um Geld.
Der, der zuviel hat, könnte borgen,
damit er morgen Zinsen erhält.
Diese zwei Seiten der Medaille
malen das Leben schwarz oder weiß.
doch jede Seite hat ihren Preis.

Münze
Laß` die Münze entscheiden,
knobel zwischen beiden:
Kopf oder Zahl,
du hast die Wahl.
Zahl oder Kopf,
ein alter Zopf,
ein alter Hut,
immer noch gut
für Spaß und Spiel.
Und immer mit dem gleichen Ziel:
Kopf oder Zahl,
du hast die Wahl,
also, wähle noch einmal!






Erwägung
Ich wäge hin, ich wäge her,
mich zu entscheiden, fällt mir schwer.
Entweder- oder, hüh oder hott
sich zu verändern heißt: raus aus dem Trott.
Heißt auch : Farbe bekennen
und das Ding beim Namen nennen.
Heißt auch: Risiko wagen
ehrlich zu handeln, ohne zu klagen.
Jedes Ding hat halt zwei Seiten,
wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
es kann Ärger, Frust bereiten,
und auch Freude geben,
in der Veränderung eben!
Eine Wurst hat zwei Zipfel,
zwei Zipfel am Ende.
Wär`s anders, wär`s der Gipfel,
dann gäb`s eine Wurst-Wende!

Ein Haufen zwei Seiten
Die Lesung will ich vorbereiten,
ich grüb`le über die zwei Seiten.
So war es schon zu allen Zeiten,
statt mir den Horizont zu weiten,
drohen die Worte zu entgleiten.
Sie wollen mich sogar verleiten
auf den zwei Seiten rumzureiten
und machen lauter Dämlichkeiten.
Ich denke schon: soll ich mich streiten
mit diesen Ungewöhnlichkeiten?
Doch jedes Ding hat halt zwei Seiten,
so will ich diesen Text verbreiten.

und ich das:


Alles hat zwei Seiten“ ist ein Motto, das … mindestens zwei Seiten hat.
Die eine ist immer das, was der Mecklenburger in den Spruch fasst „Wat dem eenen sin Uhl, is dem annern sin Nachtigall“.
Mindestens einen anderen Aspekt kennt die Sprache, vor allem die Lyrik. Dort passiert es, dass ein Gedicht aus fast denselben Worten durch ganz wenige veränderte andere im Ganzen ein ganz anderes wird, dass es einen neuen Charakter, einen neuen Sinn erhält.
Zum ersten Mal ist mir dies bei einem berühmten Brechtgedicht aufgefallen:

 
Das kleine Haus

Unter Bäumen am See

Vom Dach steigt Rauch
(Fehlte er)
Wie trostlos (
dann wären)

Haus, Bäume und See

Sicher eines der schönsten Perlen der idyllischen Naturlyrik. Der Rauch als Symbol des menschlichen Lebens in einer friedlichen Umgebung. Nun lassen wir vier Wörter weg: … und ergänzen zwei in der Überschrift.
Plötzlich sagt der Rest das Gegenteil: Nun denken wir beim Rauch, der vom Dach aufsteigt, an den Rest des Feuers aus dem Haus ohne Leben …
Bei dem folgenden Gedicht habe ich direkt mit dem gleich Klingen gearbeitet:

 
Einer
schießt zurück.
Ein zweiter
schreibt ein Gedicht,
in dem sich Glück
auf schießt zurück
reimt.
Beide kämpfen
dass nie wieder
jemand schießt
 
Ein dritter
schießt zurück
Der vierte
schreibt ein Gedicht
in dem sich Glück
auf schießt zurück
reimt
Beide teilen sich
die Beute der Kugeln.
 
Habe ich
ihre gleichen Worte
genug gewogen
gerecht zu
urteilen?

Krieg und Krieg dem Kriege …



Jede Bemühung um eine Beziehung ist auch ein Ringen mit sich selbst. Dass wir auf der einen Seite in der Liebe dem Anderen helfen wollen, schließt natürlich ein, dass wir so wie zum Anderen zu uns selbst ehrlich sind:


Das Spiegellied
 
Ich wollte zu dir finden,
doch ich fiel mit der Tür ins Haus.
Und 1000 Spiegel zerbrachen
und ich sah so bloßhäutig aus.
 
Das strahlende Licht von draußen
drang nicht bis zum Schmerz in mir
1000 Spiegel hatt´ ich zertrümmert
doch sah ich so wenig von dir.
 
1000 Spiegel verdeckten das Draußen
und ich wollt´ dich so gerne befrein
Und ich sah dein Ich nur in Spiegeln
und ich stürzte mich gradwegs hinein
 
Jetzt habe ich dich verloren
vielleicht weinst auch du nun allein.
Die Splitter in meinen Poren
stecken tief, zum Entfernen zu fein.
Das Spiegellied b
 
Ich wollte zu mir finden,
doch ich fiel mit der Tür ins Haus.
Und 1000 Spiegel zerbrachen
und ich sah so bloßhäutig aus.
 
Das strahlende Licht von draußen
drang nicht bis zum Schmerz in mir
1000 Spiegel hatt´ ich zertrümmert
doch sah ich so wenig von mir.
 
1000 Spiegel verdeckten das Draußen
und ich wollt´ mich so gerne befrein
Und ich sah mein Ich nur in Spiegeln
und ich stürzte mich gradwegs hinein
 
Jetzt habe ich mich verloren
und weine ganz heimlich allein.
Die Splitter in meinen Poren
stecken tief, zum Entfernen zu fein.


Das Vor-dem-Spiegel-Stehen ist überhaupt Sinnbild für die zwei Seiten: Immer muss man scheiden zwischen dem was da zu sehen ist, und wer es sieht:
Sad Girl
 
Wenn ich die Brille absetze,
muss ich mein Spiegelbild
nicht sehen.
Als Mädchen nicht einmal
der Dachsjagd
zum Opfer gefallen.
Keine Illusion,
jemand begehrte mich,
weckte Begehren.
Lust hätte mich
vielleicht verschönt

Enttäuschung danach?
Lieber kurz verbrennen
als ewig glimmen,
schwelen,
vor dem Tod
gestorben sein.

Doch ich glaube an
meine Unschuld.


In diesem Sinn, also dass es darauf ankommt, nicht nur eine Seite zu sehen, habe ich einmal eine Geschichte dreimal erzählt:


Daunenweich
 
(1)
Und dann sagt er, wie schön du bist,
flüstert so leise,
dass es nur ein unsichtbarer,
aus dem Nest gefallener,
um seine letzten Stunden wissender Jungvogel,
den er dicht an sein Gesicht gehalten,
gehört, aber nicht verstanden hätte,
ihren Namen.
Die Angesprochene aber wendet sich angewidert ab:
Wie hässlich du bist!
Und sie ruft den Spottnamen,
mit dem die Kinder des Dorfes so oft hinter ihm her liefen.
Er aber presst die Hände gegen die Ohren
und der unsichtbare kleine Vogel fällt
auf blumenlosen Asphalt.
 
(2)
Und dann sagt sie, wie schön du bist.
Er aber flüstert verwundert und so leise,
dass es nur ein unsichtbarer,
aus dem Nest gefallener,
um seine letzten Stunden wissender Jungvogel,
den er dicht an sein Gesicht gehalten,
gehört, aber nicht verstanden hätte,
den ihren.
Und auf einmal beginnt sie schallend zu lachen,
bis ihr der Atem vergeht.
Sie rennt zurück zu ihren kichernden Freundinnen
und sie sind sich einig:
Ist der blöd!
Zwischen den Fingern des Jungen aber
quillt der unsichtbare Brei
eines zerquetschten Vogels hervor.
 
 
(3)
Und dann sagt er, wie schön du bist,
flüstert so leise,
dass es nur ein unsichtbarer,
aus dem Nest gefallener,
um seine letzten Stunden wissender Jungvogel,
den er dicht an sein Gesicht gehalten,
gehört, aber nicht verstanden hätte,
ihren Namen.
Sie aber sieht ihn an,
als hätte sie ihn noch nie zuvor gesehen.
Und der Spottname,
mit dem die Dorfkinder hinter ihm her liefen,
gleitet von seinen Zügen.
Für ihr Lächeln schenkt er ihr
den noch immer unsichtbaren Vogel.
Und kaum,
dass der ihren Handteller berührt,
fliegt er fort.
In seinem hellen Lied
werden die zwei Menschen
für alle anderen
unsichtbar.
Hoffnung
 
Wer soll ich sein
für dich?

Hinter Spinnennetzen
im Keller meiner Gefühle
finde ich Holzkisten
fabrikneu verpackt
von der Firma
Illusionen & Co.

Schau hier:
Die Antwort
auf meine damalige Reklamation:
Ich könne ich mich
anstellen hinter
den Gläubigern.
Die Insolvenzmasse
reichte nicht..

Ich mag mich nicht
trennen von dem Gerümpel.

Kämst du nur mit
warmen Decken,
wir kuschelten uns
auf dem morschen Hoffnungsholz
aneinander

verletzt
manchmal taucht
dein schwieliger körper 
in meine regentonne
voll
vom dach gefallener
wolken
 
mit langem holz
helfe ich dir
grinde vergangener male
von deiner back
zu bürsten
 
vergeblich versucht
meine zunge
deine haut
zu trocknen 



Zu den „zwei Seiten“ gehört natürlich auch der Spruch „Wer das eine will, muss das andre mögen“ … auch bei der Romantik:

An den Mond
Beinahe Eichendörfflich
 
Romantischer Geselle,
du schickst mir deine Helle.
und wundersame Träume
hängst du in meine Bäume,
wenn die zum Himmel sprießen,
lässt mich das Lust genießen.

Bin ich in wilder Nacht
zum Wachtraum aufgewacht
darf dein Schmunzeln sehn.
Du kannst mich gut verstehn.
 
Doch gegen Dunkelheit
bin heute ich gefeit.
Der Sterne kalte Pracht
versteckt sich jede Nacht.
Der Straße mattes Licht
durch meine Scheibe bricht
und Nachbars Liebesspiel
wirft Schatten viel zu viel.
Mein Zimmer bleibt erhellt,
auch wenn kein Glücksstern fällt.
Und locker find ich so
den Geisterweg zum Klo.
 
Den Urlaub mach ich brav
im Dorf bei Hahn und Schaf.
Ich bin mit dir allein
und sollte glücklich sein.
Doch unterm Wolkenzoo...
wie find ich da aufs Klo?



Oder: Zum Willkommen gehört der Abschied:
Vom Anderssein
 
Was ist so schön am Anderssein?
Ist das nicht offenbar?
Das hat für mich grad jenen Sinn,
dass auch ich selber anders bin,
als ich noch gestern war
und da war ich allein.
 
Was ist so schlimm am Anderssein?
Du bist voll Zärtlichkeit.
Hast mich zwar noch mit Fingern gern,
doch lebst schon auf dem nächsten Stern,
bist noch zum Liebesspiel bereit
doch bald bin ich allein.


Warteschleife
 
Zehn Jahre waren sie ein Paar
und ein paar Tage noch, sogar.
Er hat die ganze Zeit gewartet,
dass es bei ihr nun endlich startet,
 
das große, schlimme Missgeschick,
bei dem er da steht, welch ein Glück,
um rettend sie noch abzufangen,
bevor ihr alles schief gegangen.
 
Sie wollte all die Jahr´ ihn stützen,
ihm, sollt´ er fallen, selbstlos nützen.
Sie war zur Hilfe stets bereit
in ihrer Ehe Einsamkeit.
 
Dann stürzten sich zu ihrem Leide
so elend einzeln alle beide.
Allein für sich noch jeder denkt,
wär doch wer da, der mich jetzt fängt.

In der Liebe steht auf einer Seite immer die Illusion, auf der anderen die Wirklichkeit:

Hoffnung
  Wer soll ich sein
für dich?
Hinter Spinnennetzen
im Keller meiner Gefühle
finde ich Holzkisten
fabrikneu verpackt
von der Firma
Illusionen & Co.

Schau hier:
Die Antwort
auf meine damalige Reklamation:
Ich könne ich mich
anstellen hinter
den Gläubigern.
Die Insolvenzmasse
reichte nicht..

Ich mag mich nicht
trennen von dem Gerümpel.

Kämst du nur mit
warmen Decken,
wir kuschelten uns
auf dem morschen Hoffnungsholz
aneinander
Welten
 
Wenn Detlef sinnlos
kifft und chillt,
kotz ich die großen Worte
Der Detlef kennt den Straßenstaub,
ich träum durch höh´re Orte.
Der Detlef wird bei Tag und Nacht
vom Leichenjeep umworben.
Ich bin beim Wolkendichtersport
freeclimbing längst gestorben.
Der Detlef neidet
mir die Welt,
ich manchmal Detlef seine.
Doch ahnen wir, wenn´s wieder kracht,
uns fehlt die eine feine,
so jammern wir
alleine.

Dialektik der Zeit
 
Wie grausam
die Erfindung von
Uhr und Kalender.
Sie sagen mir
was ich wann
tun
muss.
 
Wie wunderbar
die Erfindung von
Uhr und Kalender.
Etwas muss mir sagen
wann es Zeit ist
aufzuhören

Edda winkel sah sich das an, war damit einverstanden, bekam die grundsätzliche Aussage unserer vierten Aktiven, ihre Texte nicht vorher begutachten lassen zu wollen ... und gab auf.