Mittwoch, 16. Februar 2011

Was heißt hier, geht nicht .... Programm Galerie-Cafe Bachmann 25.Februar 11

M.
Was heißt  hier, geht nicht - sagte der Lügner, verschloss seine Taschen und öffnete heimlich meine
Slov, Gedichte

Was heißt  hier, geht nicht - quakte der Frosch und übergab Rotkäppchen die goldene Kugel                                               
 Bruni  Spanien

Was heißt  hier, geht nicht – zischte die Schlange, dann verschluckte sie eine dicke Kartoffel
Bruni, Gedicht Menschen

M.

Was heißt hier, geht nicht -wisperte die graue  Maus vorm Spiegel und legte den  roten Kragen um
Conny, 1.Teil

Was heißt hier, geht nicht -  krächzte der Rabe und turtelte im tiefsten Winter  mit einer Krähe
Edda, Was Hänschen nicht lernt…

Was heißt hier, geht nicht - lächelte der Igel,  spreizte  die Stacheln und spielte mit dem Kaktus

Bruni, Kinderspiel

Was heißt hier, geht nicht - stotterte der holprige Satz und schlüpfte in die Geschichte
Conny,2.Teil

M.

Was heißt hier, geht nicht - schimpfte der Spatz bevor er  sein  Nest im Abflussrohr  baute
Edda - Staubgedichte

Zugaben?

M.?

Dienstag, 15. Februar 2011

Slov ant Gali: Kampf der Titanen

Kampf der Titanen

Drei Wochen hetzte Bernd schon als Schleuser dem Terminator hinterher. Alles wegen der langen Wartezeit mit der Mutter beim Arzt. Die hatte ihn am zweiten Tag um viele Klicks gebracht. Wie mühselig war es danach gewesen, dem unbekannten Kontrahenten Pünktchen für Pünktchen wieder näher zu kommen.
Bis Bernd auf Besuchertauschsysteme gestoßen war, also Anbieter, bei denen die eigene Webseite für das Ansehen anderer gezeigt wurde, hatte Unvorhersehbares geschehen müssen. Denn dass er einmal sogenannte Credits brauchen würde, gutgeschrieben für eben diese Einblendungen, hatte mit seiner Welt als Gabelstaplerfahrer wirklich nichts mehr zu tun. Man sollte seine eigene Seite ansehen und er laufend am Computer sitzen und freiwillig Werbung anfordern? Nein, über eine solche Vorstellung hätte er noch wenige Monate zuvor gelacht. Er hatte doch gar keine eigene Seite und würde nie eine brauchen. Obwohl er da schon erfahren hatte, dass moderne Arbeitsspeicher groß genug wären, mehrere Programme parallel laufen zu lassen. Natürlich hätte ihn auch nicht interessiert, dass das bei superklick.de mit weniger Störungen als anderswo funktionierte.
Doch inzwischen hatte er akribisch Besuchertauschdienste miteinander verglichen und sich entschieden: Superclick.de war genau der, bei dem seine Seite Anderen am häufigsten gezeigt wurde – verglichen damit, wie oft er vorher deren Seiten ansehen musste. Das war eine Belohnung für den Anbieter wert: den Test der klick4credit-Funktion. Natürlich nähme er auf keinen Fall eines der Angebote der Kaufklubs, Rabattanbieter und anderer Vermarkter an. Wie hätte er die denn bezahlen sollen, und irgendetwas bezahlen sollte er letztlich auch bei denen, die mit einem Geschenk lockten. Aber warum nicht Werbelinks anklicken, wenn ihm dafür Credits gutgeschrieben wurden? Die Funktion war mit einer Rallye verbunden und die lockte mit besonders vielen Credits, wenn auch eigentlich nur für den ganz oben auf der Treppe. Natürlich lief gerade eine Rallye, als Bernd die Funktion entdeckte. Sollte er wirklich mit so etwas anfangen? Wahrscheinlich hätte er gar keine Chance.
Bernd berechnete aus den erreichten Punkteständen, wie oft er voraussichtlich für den Sieg würde klicken müssen. Unmittelbar nacheinander waren nur höchstens 15 Klicks möglich und Reloadsperrzeiten bis zu 24 Stunden verhinderten, dass derselbe Link mehrmals stündlich geklickt werden konnte. Beim ersten Test scheiterte Bernd daran, beim zweiten wartete er Stunde um Stunde, bis wieder Links frei waren. Er stand dafür sogar zweimal nachts auf. Und dann ... Wow, 204 Klicks! Die 170 von Terminator waren also zu toppen. Man musste nur jeden Tag oft genug am Computer sitzen und die Nächte mit einbeziehen.
Nachtarbeit aber war Bernd vertraut. Die Mutter war schon seit Jahren nicht mehr fit auf den Beinen. Also hatte Bernd sie tagsüber zu versorgen. Sein Arbeitgeber, eine Berliner Brauerei musste im Sommer extreme Spitzen bewältigen. In denen hatte sich Bernd durchgängig zu Nachtschichten als Gabelstaplerfahrer einsetzen lassen, selbst an allen Wochenenden. Da blieb am Saisonende viel abzubummeln. Das wurde zur für beide Seiten lukrativen Dauerlösung: Im Sommer Arbeit in rollender Woche mit für die dörflichen Verhältnisse fürstlichem Lohn, dann Arbeitsamt in der kalten Saison mit einem Arbeitslosengeld, das immer noch höher war als bei vielen ganztags Arbeitenden der Lohn.
Dann, Bernd war inzwischen 42, hatte es geheißen Schlechte Auftragslage und Wir melden uns, wenn wir wieder Arbeit für dich haben. Auf so gute Leute können wir nicht verzichten. Vorerst sei er ja versorgt. Richtig. Wäre nicht der Unfall passiert. Bernd hatte mit seinem alten Mazda nur mal schnell nach Eberswalde fahren wollen. Sein Bruder war nicht angeschnallt gewesen. So landeten beide im Krankenhaus. Bernd hatte sich schon nach einer Woche entlassen lassen. Auf eigenen Wunsch. Wer hätte sich denn um die Mutter kümmern sollen? Die lebte ja allein in ihrem Haus. Und Bernd fühlte sich schon wieder fast in Ordnung. Nur noch die Stahlschienen im rechten Bein. Und nur noch eine Nachoperation. Werner hatte es da schlimmer erwischt. Während Bernd bald wieder einen neuen Gebrauchten fuhr, musste er sich langsam damit abfinden, dass der linke Fuß des Bruders nicht mehr zu retten war. Danach wurde Werners Prothese zum Problem. Wenn Bernd den Bruder Dicker! nannte, dann klang das zwar irgendwie liebevoll wie Digger, aber Werner war eben wirklich übergewichtig. In den Monaten der Heilversuche ergab er sich immer mehr den teilweise schon vorher vorhandenen Leiden. Er kam nur noch zu den gemeinsamen Mahlzeiten aus seinem Zimmer und wenn er wieder irgendwohin gefahren werden musste. Immer betonte er, dass er Bernd nichts vorwerfe und wenn er einen seiner unzähligen Arzttermine wahrnehmen musste, dass er auch ein Taxi nehmen könne.
Als Bernd endlich wieder fit war für seine Nachtschichten in Berlin, war die Saison vorbei. Der Countdown für das hohe Arbeitslosengeld lief ab. Im nächsten Sommer war noch einmal ein Anruf gekommen, es sei gerade Druck und er möge sofort kommen. Bernd aber war zu der Zeit gerade mit Werner und seiner Mutter auf Ärztetour in Eberswalde gewesen. Als er abends zurückgerufen hatte, wurde ihm am Telefon erklärt, das Problem habe sich erledigt.
Inzwischen war Bernd in den Ämtern bekannt. Er ließ sich von Sachbearbeiterin zu Sachbearbeiterin schicken, nahm es positiv: Auf diese Weise kam die Mutter etwas unter Leute.
Die Woche Computerkurs hatte er geschafft und das Bewerbungstraining. Dann aber sollte er einen „Ein-Euro-Job“ annehmen als Hilfsgärtner in der Kreisstadt. Die Arbeit wäre ihm zwar vertraut gewesen. Er lebte ja auf einem Bauernhof. Aber die Sachbearbeiterin erläuterte ihm, er solle dabei wieder lernen, sich an einen geregelten Arbeitstag zu gewöhnen. Da war Bernd kopfschüttelnd aufgestanden und gegangen. Das führte zum Akteneintrag, er stünde dem Arbeitsprozess nicht zur Verfügung.
In Bernds Ohren hatte das geklungen wie nicht zuverlässig. Ein paar Tage hatte er etwas mehr Bier getrunken und etwas ungepflegter ausgesehen als sonst. Und ungepflegt gerochen hatte er auch. Dann hatte er an den Computerkurs gedacht und sich an seinen Alf gesetzt. Bewerbungen verschickt. Manchmal auch Ablehnungsmails erhalten. Vielleicht war es eine Bierlaune, dass er dann diese Homepage baute, richtiger dieses Blog, denn eine Homepage hätte er bezahlen müssen. Er wählte als Adresse http://dergroesste.blogspot.com und als Hintergrund den schwitzenden noch jungen Muhammad Ali und schrieb: Der Größte bin ich zwar nicht, aber ich boxe mich so durch. Besondere Umstände zwingen mich zur Nachtarbeit. Ich packe vieles an, aber anständig sollte es schon sein … Bitte helft mir, meine Familie zu versorgen! Noch etwas Text und eine Telefonnummer.
Zuerst war wenig passiert. Er gewöhnte sich daran, schnell wieder den Hörer aufzulegen, wenn sich die vereinzelten Angebote als schmierig erwiesen. Dann hatte er eine Werbung entdeckt, die viele Besucher auf den teilnehmenden Webseiten versprach. So mache man heute auf sich aufmerksam. Bernd hatte die Jagd auf Interessenten an seiner Seite eröffnet, genauer: auf deren Klicks. Irgendwann wusste er dann nicht mehr, ob er wirklich noch auf einen Job hoffte. Längst war das Klicken selbst der Zweck seiner Computerzeit geworden. Einmal bei irgendetwas Sieger sein. Der Welt zeigen, er schaffte es. Allen beweisen: 30 Tage würde er mehr gearbeitet haben als alle Anderen auf der Welt und man würde es messen können: In Credits!
Sehnsüchtig hatte er den ersten Tag der neuen Rallye herbeigesehnt. An diesem Samstag war er extra vor Mitternacht nicht schlafen gegangen. Vor dem Zubettgehen klickte er alles durch, was zu erreichen war. Geschafft! Zufrieden warf er sich zurück! Ein guter Start. Diese Aufgabe würde er meistern.
Erst 7.30 Uhr wurde er wach, fast schon zu spät, um Muddern beim Frühstück machen zu helfen. Dabei war es seine Aufgabe, den Herd zu heizen. Den neuen Kohleherd, mit dem sie in der Küche unabhängig waren von Stromausfällen und mit dem sie zugleich kochen, backen und den Raum beheizen konnten. Er hatte ihn der Mutter geschenkt, die ängstlich jede Katastrophennachricht im Fernsehen aufsaugte. Und irgendwann komme wieder eine Inflation wie damals und vielleicht gehe auch diesmal der Krieg an ihrem Dorf vorüber. Ein Glück, dass er da sei, er, der Große! Werner könne doch nicht ...
Als Bernd endlich am Computer saß, stand fest: Nachdem er ein zweites Mal alles durchgeklickt hatte, was nicht in der Reloadsperre steckte, lag er auf Rang 2. Der Sieger der vorigen 30-Tage-Rallye, eben jener Terminator, war knapp vor ihm. Aber dann vergrößerte der Montag mit Mutters Arzttermin den Rückstand.
Bernd versuchte, nach Ablauf jeder Stunde am Computer zu sitzen, um alle aus der Reloadsperre freigegebenen Links anzuklicken und trotzdem durchgängig für die Anderen da zu sein. Irgendwie war es ihm ja peinlich zuzugeben, was er da machte. Wenn er denn gewonnen haben würde, dann, ja, dann konnte er es aller Welt sagen: Er hielt durch. Auf ihn konnte man zählen.
Niemand schöpfte Verdacht. Die Mutter fand es zwar übertrieben, wie oft er nachschauen wollte, ob Mailantworten auf eine.seiner vielen Bewerbungen eingegangen seien, aber sie freute sich über ihren Sohn – so wie sie sich immer über ihren Sohn freute. Sie hätte sich sogar gefreut, hätte sie gewusst, dass Bernd schon lange keine Bewerbung mehr abgeschickt hatte. Werner sagte sowieso nichts dazu. Er stand häufig auf. Seine Nieren arbeiteten nicht mehr richtig … oder plagten ihn gerade die Blase oder der Diabetes?
Am 23. Tag, einem Sonntag, zog Bernd zum ersten Mal ein paar Punkte am Terminator vorbei. Der bäumte sich noch einmal auf und brachte es am Montag auf einen neuen Rekord. Dann aber ließ er schlagartig nach.
Bernd dagegen unterbrach den Kampf mit den Links und der Reloadsperre nur für Einkaufs- und Ämterfahrten, zu denen er seine Mutter wie gewohnt mitnahm. Wenigstens war nun die Zeit vorbei, in der er nach der Rückkehr einen wieder angewachsenen Rückstand ausgleichen musste. Bernd stand eigentlich schon am 29. Tag als Sieger fest. Doch der Gedanke kürzerzutreten widerstrebte ihm. Also ging er auch am dreißigsten noch einmal mitten in der Nacht an den Computer und klickte alle Links an. Von wegen er müsse erst ausdauernd zu arbeiten lernen … Beim Einschlafen malte er es sich aus: Er war dieser Muhammad Ali nach seinem Comeback, ein Sieger. Würden Werner und Mudder Augen machen, wenn er beim Frühstück von seinem Sieg erzählte!
Am Morgen hörte er die Mutter stöhnen. … Nein, schon gut, lass nur, Junge, das Wetter schlägt um.
Bernd heizte, holte frische Eier, stellte die Teller auf den Tisch. Werner kam in die Küche, noch mürrischer als in den Tagen zuvor. Schwieg sein Frühstücksei an. Schon lag Bernds Pranke auf seiner Schulter. „Wasn los, Digger, Probleme?“
Werner druckste eine Weile herum. Dann kam es aus ihm heraus: Nicht die kleinste Freude werde ihm gegönnt. Es habe ihm solchen Spaß gemacht, im Internet einen Wettkampf zu gewinnen. „Wisst ihr, da konnte ich als Terminator auftreten und irgendwie hab ich mich auch so gefühlt. Aber diesmal hat mich so ein Typ geschlagen. Schleuser ... Immer bin ich diesem Sieg nachgelaufen und nun … Na, egal. Gibst mal den Honig rüber?“
Bernd schluckte, wusste einen Moment nicht, wohin er sehen sollte. Aber schon versuchte er die gewohnte Aufmunterung: „Mensch, Digger, dann eben beim nächsten Mal. Du schaffst das bestimmt.“
Werner reagierte nicht darauf. Bernd starrte auf den abgetragenen Trainingsanzug des Bruders. Schwieg. Hoffentlich bestätigen sie bald die Pflege. Dann werde ich dafür bezahlt. Solange ich hier bin, kommt Mudder nicht ins Heim. Beinahe hätte er das laut gesagt. Und das wäre wirklich peinlich gewesen