Nicht nur geschrieben sondern längst veröffentlicht ist von Slov ant Gali das SF-Jugendbuch "Planet der Pondos" (2009) und (noch schwerer erhältlich der Lyrikband "worträume" (ebenfalls 2009).
Aktuell laufen Verhandlungen über etwas Verrücktes, nämlich ein Buch mit verschiedenen Facetten des Themas "Kommunismus". Selbst der Titel "Nach der Geldzeit" ist umstritten. An eine Veröffentlichung in 2013 darf gedacht werden.
Geschrieben sind die SF-Romane "Die sieben Kugeln", "Kori ado Ko" und "Das Bienen-Projekt". Alle Manuskripte sind so alt, dass sie wesentlich verändert würden, sollte eine Veröffentlichung in Betracht kommen.
Aktuell läuft ein SF-Projekt zusammen mit Gunda Jaron. Der erste Teil von "Ich wurde Gott" steht als Idee und wird im Text bearbeitet, an der Idee zum 2. Teil wird gearbeitet.
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Die Veranstaltungsseite der Autorengemeinschaft "Fensterblick"
Samstag, 30. Juni 2012
Montag, 16. April 2012
Zwischenmitteilung
Dieses
Blog ist der Linkgemeinschaft literarischer, kultureller und
politischer Blogs im Netz beigetreten. Copy & paste dieses
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Sonntag, 3. Juli 2011
Abea - eine Programmversion von 7/11 (ohne Moderation)
Ich war Hochzeitsgast
All meine Brüder und Schwestern
lebten noch, gestern.
Wir hatten zu glücklichen Stunden
uns bei Walid zusammengefunden.
Eine Hochzeit bleibt stets unvergessen
und das nicht nur wegen Trinken und Essen.
Es gehört zu der Freude Stärken,
Gefahr im Moment nicht zu merken.
So öffnete Freudensalut
der Todesschüsse Flut.
Woher wohl die Fremden gekommen,
ihr Nahen hatte niemand vernommen.
Ich habe am Boden gelegen,
entging so dem Kugelregen.
Die Fremden blieben ohne Gesicht,
das mit menschlichen Worten spricht.
Ob nun deutsche oder englische Zunge
Ich wünsch ihnen Blei in die Lunge.
Vielleicht macht mein Schmerz einmal Pause,
sind die Fremden wieder alle zu Hause.
Doch das eine, das müsst ihr verstehen:
Ich könnt sie nicht hochzeiten sehen.
Abea
Möchte ich in fremden Gehirnen lesen können, vor allem jetzt in seinem – wo ich sowieso schon zu viel weiß? Für meinen Beruf wäre es von Vorteil. In diesem Fall aber …. Nein, wahrscheinlich möchte ich es nicht.
Ich leite den Mann zu dem Platz, an den er sich in den Sitzungen gewöhnt hat. Ich ahne, was wirklich war, aber sträube mich, wie er, gegen die Wahrheit.
Er hatte sich freiwillig gemeldet. Sondereinsatz, Sonderprämie. Sie übertrugen die Erfahrungen ihrer langjährigen überlegenen Demokratie auf das Land dieses Diktators. Klar, wurde auf sie geschossen, mussten sie für Ordnung sorgen, Waffen einsetzen, die mit Splittern und mit Strahlen alle potentiellen Mörder und Terroristen für immer handlungsunfähig machten. Dann entstanden schon einmal Berge von Menschenteilen, die sie nicht liegen lassen konnten. Schließlich waren sie hier, um Ordnung zu bringen. Und er war dran, im Schutzanzug die Terroristen zu einem Haufen zusammenzukarren, damit sie umweltverträglich entsorgt würden.
Da entdeckte er sie.
Es war eigentlich unmöglich. Die eingesetzten Befriedungsmittel durften kein Zucken zurücklassen. Doch ihre Augen sahen ihn an. Sie waren groß und wunderschön. Dunkel wie die feuchte, fruchtbare Krume seiner Heimat, frisch durchgegrubbert nach der Schneeschmelze im März. Sie schienen zu sagen, ich habe dich lieb, du Gespenst. Ich will dich retten. Hatte er das gelesen? Von diesem Gespenst von Canterbury? War er das Gespenst, das gerettet werden musste?
Er achtete nicht auf die anderen ringsum. Sah nur dieses Mädchen. Zog es aus dem Körperberg hervor. Es war verschwitzt. Eine kleine Schramme an der linken Schläfe wurde vom sandigen schwarzen Kraushaar halb verdeckt, ansonsten aber schien es unverletzt. Das Kleid oder wie man dieses Kleidungsstück nennen mochte, Burnus oder so, war gleichfalls an der linken Schulter zerrissen, so weit, dass es eine bubenhafte Brustwarze hervorschauen ließ. Das Mädchen hatte nicht die Kraft, die Blöße zu bedecken. Leben war nur noch in seinen Augen.
Für einen Moment wollte er das Kind zu dem restlichen Haufen stoßen. So verstrahlt, wie es war, würde es sowieso bald sterben. Ein Gnadenschuss würde es vor Qualen bewahren. Aber da war immer noch dieser Blick, diese Augen.
Was für ein Unsinn! Was dachte er ausgerechnet jetzt an Samantha, die so gern ein Kind gehabt hätte? Ein unbegreiflicher Reflex bewegte seinen Mund: „Wie heißt du, Mädchen?“
Er dachte sofort: Sam, bist du blöd! Sie kann dich nicht verstehen. Du müsstest durch deinen Anzug viel lauter sprechen. Und selbst dann – wie sollte dieses Mädchen deine Sprache verstehen?
Da hörte er Laute aus ihrem Mund: „Heißt du Mädchen Abea.“
Der Sergeant Samuel Mc Fadden packte das Kind an den Armen, schleppte es von dem Körperentsorgungshaufen fort zu seiner Batterie, und er drehte sich auch nicht um, als hinter ihm die Flammen mit einem dumpfen Puffen anfingen, den anderen Körpern Gnade zu erweisen.
Unschuldsblick
Ich
habe noch nie
einen menschen getötet
versichert das auge
das gut geübt
den feind
anvisiert
dem finger
immer bist du es
der abdrückt
Sie war über eine Schwelle getreten.
Hinter ihr war nichts, jedenfalls nichts, woran sie sich hätte erinnern können. In diesem Moment wusste sie nicht mehr, was sie jemals erlebt hatte, vor allem nicht, was gerade passiert war. Nur, dass sie sich nicht bewegen konnte. Um sie herum stank es fürchterlich und niemand war da, bei dem sie das hätte beklagen können.
Plötzlich stand ES vor ihr. ES war sehr groß, glänzte weiß, hatte keine Haare, keinen richtigen Mund, aber riesige ovale Augen. Beine auch, aber die bemerkte sie erst später. Sie bestaunte die fremden Riesenaugen.
Du wirst mir nichts tun. Ich habe dich lieb. Ich habe überhaupt keine Angst vor dir. Ich habe dich lieb.
Abea wunderte sich. Deutlich verstand sie, dass ES an eine Samantha dachte. Die hatte traurige blaue Augen und locker auf die Schulter fallende Haare von der Farbe der Wüste bei Windstille. ES dachte Gnadenschuss und Abea hätte zu gern gewusst, was das bedeutete. ES wollte wissen, wer sie war. Und Abea nahm die Worte von IHM und ergänzte ihren Namen.
Abea zögerte. Sie wollte zurückfragen, aber ES würde sie ja nicht verstehen. Da riss ES sie nach oben, und Abea sah vor sich einen schwarzen Himmel.
Fronturlaub
Ich
Ich bringe
Ich bringe um
Ich bringe nicht um
Ich bringe nicht Menschen um
Ich bringe nicht mehr Menschen um
Ich bin nicht mehr Mensch
Ich bin nicht Mensch
Ich bin nicht
Ich bin
Ich
„Ich kann Ihnen das nicht erklären. Glauben Sie mir. Ich würde gern, aber ich kann es mir selbst nicht erklären. Die meisten Zellen ihrer Abea sind radioaktiv aufgeladen. Aber sie strahlen nicht nach außen. Und das Seltsamste: Ich kann bisher keinerlei krankhafte Veränderungen feststellen.“
„Bitte, Herr Doktor, reden Sie Klartext! Wie lange hat sie noch zu leben?“
„Das kann ich einfach nicht sagen. Der Strahlenbelastung nach wäre sie längst tot, von der Wahrscheinlichkeit her muss die Strahlenkrankheit bald bei ihr ausbrechen. Spätestens dann bleibt Ihnen nichts mehr zu tun, als der Kleinen die Leiden zu mildern.“
„Sie finden unsere Idee also verrückt?“
Der alte, bedächtig sprechende Chefarzt der Spezialklinik vermied es, Samantha und Samuel Mc Fadden in die Augen zu sehen.
„Bitte fragen Sie mich nicht! Ich an Ihrer Stelle würde mir das alles noch einmal gründlich überlegen.“
In diesem Augenblick ging die Tür auf. Für einen winzigen Moment stand Abea abwartend da, die Klinke in der Hand, die dunklen Augen funkelten Sam an. Dann flog sie ihm entgegen, als hätte sie einen kräftigen Tritt bekommen. Sie landete auf seinem Schoß, und ihre Arme zogen Samanthas Kopf zu sich heran, drückten ihn und krabbelten mit den Fingern durch die blonden Haare, als suchten sie darin wenn schon nicht Läuse so doch wenigstens Wüstensandkörner.
„So lange es geht, lebt Abea als unser Kind“, entschied Sam, wobei er abwechselnd zu Abea und dem Arzt blickte.
Und das Kind warf dem Mann in dem Kittel einen trotzigen Blick zu. „So lange es geht, lebt Abea als unser Kind“, wiederholte es störrisch.
Auf der Straße in die Kleinstadt, dort, wo man mehr als fünf Achtel des Himmels über sich sah, schwieg Sam vor sich hin. Seine freie Hand lag in der linken Samanthas. "Vielleicht ist uns doch etwas Glück vergönnt", murmelte er, dass es auf der Rückbank nicht zu hören war. Wie sollte er ahnen, dass Abea seinen Gedanken lauschte.
Origami für Hiroshima
(1)
mein kind
mein kind
falte kraniche
kunstvoll aus papier
schreibe auf jeden
einen deiner 1001 wünsche
und lass sie davonfliegen
der tausendste
so sagt
die legende
kommt zu dir
zurück
einen wunsch
zu erfüllen
(2)
wenn kranichvögel klein sind
wissen sie noch nicht
wie schön sie einmal
tanzen können
ängstlich stehen sie
auf nur einem bein
manche
heißt es
hören nie auf
nur traurig
den anderen
zuzuschauen
(3)
mein kleiner kranich du
warum
gabst du auf
nach dem
neunhundertachtundneunzigsten
gefalteten papier
so gern
schaute ich dir
beim tanz zu
(4)
einmal
wird kein mensch mehr
kranichtänze
beobachten
zählen
wie viele gefaltete träume
dem fluss
vertrauen
wunder werden
vergessen sein
(5)
ich habe erst
dreihundert blätter erst
dreihundert blätter erst
mit dem immer gleichen wunsch
beschrieben
little boy
wurde nie
gezündet
die worte
versinken
im fluss
Es war schon ein seltsames Gefühl. Zur Schule gehen. Mit Kindern, die hier groß geworden waren, alle Wörter kannten, die fremden Dinge, die sie bezeichnen sollten, ja, die sogar genauso aßen wie ihre Nachbarn.
„Sag, ich heiße Abea!“
Das hatte ihr Sam erklärt, den sie jetzt Dad nennen sollte. So tat sie es auch, als sie allein mit der Lehrerin vor der Klasse stand. Trotzdem lachten die meisten. Vielleicht hatte sie die Laute nicht richtig betont.
Mrs. Widerman winkte. Daran erkannte Abea, dass vorn dort war, wo die anderen Kinder hinsahen, wenn sie sich nicht gerade feixend wie jetzt zu ihr umdrehten.
Mrs. Widerman fragte so boshaft, als wäre völlig klar, dass Abea nicht wissen konnte, wie viel zwei plus drei sei. Aber sie dachte dabei fünf, so dass Abea laut „Fünf!“ sagte, und auch, als die Aufgaben schwieriger wurden, dachte die Lehrerin immer an die Lösung, die Abea nur laut nachsagen brauchte.
Viel hatte Abea nicht verstanden, aber weil alle ihre Antworten richtig gewesen waren, galt sie von nun an als Rechenass. Rechnen war auch leichter als die fremde Sprache, von der man so viele Worte mit so vielen Bedeutungen behalten musste, und David, der immer am lautesten dachte, formulierte so viele falsche Sätze.
Abea lernte schnell.
Trotzdem war sie traurig. Mathew hatte immer solche Angst vor dem Unterrichtsschluss. Sie fragte ihn, warum er nicht mit den anderen loslaufe.
„Lass mich in Ruhe“, antwortete er abweisend. Aber da kamen schon Hobbes und dessen Gang und schlugen auf den kleinen schwarzen Jungen ein. Überrascht und hilflos stand Abea daneben.
In der nächsten Pause jedoch stellte sie sich vor Hobbes hin.
„Warum lässt du Mathew nicht in Ruhe?“
Die anderen aus der Klasse bildeten einen Kreis um sie. Hobbes grinste. Sein Gedanke kam genauso schnell oder langsam wie seine Worte: „Weils einfach Spaß macht. Aber wir können ja auch dich nehmen.“
Fast alle lachten.
Nur Benny stand in der Ecke und dachte, Mädchen schlägt man nicht. Er fürchtete sich, das laut zu sagen. So war Abea am Schluss der letzten Stunde auf ihn zugegangen, hatte ihn an der Hand genommen und war mit ihm schweigend durch die Gasse der verwirrten restlichen Jungen geschritten.
„Schwarze Hexe!“, rief Hobbes. Aber Abea hätte nicht sagen können, ob das abschätzig oder zumindest etwas anerkennend gemeint war.
Vavarin 2
zerteilt sie sich selbst
durch reißende Ströme
Wo der Mensch denkend wird
baut er Brücken
über blinde Naturgewalt
Wo der Mensch aufhört
bombt er die Brücken
in die Urzeit zurück
Längst wusste ich nicht mehr, wer ich und wer Sam war, und wer … Nein, natürlich wusste ich um Abea. Aber in meinem Gehirn verschwamm Sams Erzählung mit Bildern, die sie heraufbeschworen, zu einem neuen Film. Anfangs hatte ich mich noch gefragt, wieso er von Erlebnissen Abeas erzählen konnte, bei denen er nicht dabei gewesen war. Irgendwann bildete ich mir aber selbst ein, manche Szene mit den Augen jenes Mädchens zu erleben. Da wusste ich schon nicht mehr, ob ich nicht selbst die Geschichte neu erzählte. Ich fertigte keine Protokolle mehr an, ich beschwor genau wie Sam das Mädchen Abea als Geist herauf, und sie erschien mir, weil ich – wie Sam – nicht sein wollte, wie ich in Wirklichkeit war.
Anne Frank
Die
in der Schule
in deinem Tagebuch
lasen,
mitfühlend vielleicht
deine Kellerqual,
mithassend vielleicht
mordende Deutsche,
mitfürchtend vielleicht
Bombenwerfer,
legen nun Teppiche
von Bomben
in Wohnungen
fremder Annen,
bunt geknüpfte
Teppiche aus
Renditen und Dividenden
anderer.
Aus der kleinen Schule von Louisville hatten sieben Jungen ihr geregeltes Einkommen in der Armee gefunden. Sie alle überstanden das Abenteuer Krieg lebend. Doch nur wenige Wochen, nachdem sie wieder im heimatlichen Stützpunkt zurück waren, sahen die Jungs fast täglich ausgemergelter aus. Mit Beginn von Abeas nächstem Schuljahr war von allen nur noch Sam am Leben. Im Drugstore hatte Samantha den Eindruck, als brächen alle Gespräche ab, kaum, dass sie zur Tür herein kam.
„Sam, ich habe den Eindruck, die warten richtig darauf, dass du endlich stirbst.“
„Aber Samantha! Glaub mir, da können sie lange warten.“
Trotzdem karrte er seine Familie zu Burklands Spezialklinik.
Der Chefarzt begrüßte sie zum Auswertungsgespräch mit einem entspannten Lächeln.
„Sie sind so gesund wie eh und je. Und was ihre Abea angeht: Es hat sich nichts verändert. Alle Werte wie damals. Was soll ich sagen? Die Katastrophe kann unmittelbar vor der Tür stehen, aber inzwischen hätte ich genau wie Sie Hoffnungen auf ein glückliches Ende.“
Sie wollten schon aufstehen, da lächelte der alte Arzt richtig spitzbübisch.
„Ach ja, Mister Mc Fadden, apropos Hoffnungen. Ihre Frau meinte, aus meinem Mund glauben Sie es am ehesten: Rechnen Sie mit dem ersten eigenen gemeinsamen Nachwuchs. Für Sie wird scheinbar alles Unmögliche möglich.“
Sam und Samantha bemerkten in ihrem erwartungsvollen Glück die Angst in Abeas Augen nicht.
Auf das Schwesterchen freute sie sich. Die Mum war ganz anders, wenn sie, Abea, an ihrem Bauch horchen wollte, was denn das Kleine darin so empfinde. Stundenlang hörte Samantha dem Mädchen zu, wenn es so lustig die angeblich gerade erlauschten Gedanken des künftigen Schwesterchens nacherzählte.
Nein. Das war es nicht.
gleichberechtigung
frauen
sollen die gleichen rechte
wie männer haben
sprach die eine
und fand
ihren platz
im schützengraben
gerecht
menschen
sollen die gleichen rechte
auf ihr leben haben
überall und alle
sprach die andere
und begann
schützengräben
zuzuschütten
Aber die Klasse hatte sich verändert.
Abea war Hobbes lange aus dem Weg gegangen. Das, was sie an Gedanken aus seinem Kopf hörte, quälte sie. Was konnte sie denn dafür, dass sein Vater von dort unten die tödliche Krankheit, ihr Dad dagegen sie mitgebracht hatte?
Dann merkte sie, dass sie immer mehr Mitschüler mieden. Wie eine Fahne zog sie den Titel „Schwarze Hexe“ hinter sich her. In ihrer Gegenwart sprach ihn niemand aus, aber das war vielleicht noch schlimmer: Es aus den zurückgebliebenen Gedanken der anderen lesen zu müssen, wie sie in ihrer Abwesenheit über sie hergezogen waren.
Hobbes war größer, älter und kräftiger als die anderen. Auf dem Heimweg von der Chorstunde, die jetzt auch keine richtige Freude für Abea mehr war, stand er plötzlich mit fünf anderen Jungs vor ihr. „Na, Cleopatra, bist du eigentlich beschnitten? Ihr Araberweiber sollt ja so scharf sein, dass ihr es anders nicht aushalten könnt. Na, ich beschneide dich gern. Wo auch immer.“
Sie hörte die anderen denken, lass den Quatsch, was soll das! Aber keiner sagte etwas. Sie konnte sich losreißen, rannte, rannte, rannte.
Zu Hause redete gerade die Mutter von Samantha auf Abeas Pflegeeltern ein, ohne das Kind in der Tür zu bemerken: „… Wir haben dreißig Rollen bekommen. Wir dachten, am Wochenende tapezieren wir zusammen. Rosa Wölkchen. Sind die nicht niedlich?“
Wortlos verzog sich Abea auf ihr Zimmer.
heckler & koch
das gewehr
ist nicht schuldig
geschäftsführer
reiben sich
die hände
kugeln
lassen
kassen
klingeln
reiben sich
die hände
kugeln
lassen
kassen
klingeln
das gewehr träumt
gut geölt
von staunenden
kindern im
gut geölt
von staunenden
kindern im
heimatmuseum
„In der Schule häufen sich in letzter Zeit die Fälle von … Also, wenn es nicht so verrückt klänge, dann würde ich sagen Strahlenkrankheit. Genau genommen betrifft das die ganze Klasse Ihrer Tochter bis auf … na, eben bis auf Ihre Tochter selbst.“
„Das kann ja wohl nicht wahr sein.“
Samantha hatte sich erhoben.
Mrs. Widerman war ebenfalls aufgestanden.
„Ich glaube es natürlich auch nicht. Aber an mich ist von mehreren Eltern die Bitte herangetragen worden, mit Ihnen zu sprechen. Sie mögen Ihr Kind aus unserer Schule nehmen. Wie gesagt, das …“
„Ich versteh schon! Auf Wiedersehen!“
Samantha stürmte wutentbrannt heim. Kurz vor ihrem Haus traf sie ein Stein in der Nierengegend.
Mütter gegen den Krieg
So ist das leben
da stehn wir eben
denn niemand soll sein leben geben
für mächte, die die die netze weben,
zur treibjagd in die schützengräben.
Wer sich benutzen ließ für geld
der ist für uns der falsche held
ihm sei kein denkmal aufgestellt
er diente einer alten welt
Wir wolln für eine neue leben
so stehn wir eben
hier und nicht schweigend nur daneben
denn gegen hunger netze weben
heißt erstmal weg mit schützengräben
Stumm horchte Abea an Samanthas Bauch, dort wo jetzt nichts mehr zu hören war. Sie spürte die Hand der weinenden Mutter auf ihrem Kopf, aber sie hörte auch deren Gedanken.
Wenn du nicht wärst, dann wäre bald mein eigenes Kind da.
Leise war hinter ihnen die Tür aufgegangen. Müde warf Sam seine Tasche in eine Ecke, so dass sich „seine beiden Frauen“ erwartungsvoll zu ihm umdrehen.
„Abeas Werte sind jetzt okay. Burkland konnte nicht die geringste Radioaktivität mehr in ihren Zellen feststellen.“
Das Mädchen sprang auf, lief die Treppe hinauf, schloss sich in ihr Zimmer ein, warf sich aufs Bett und prügelte mit der Stirn auf das unschuldige Kopfkissen ein.
Oh, könnte sie doch endlich die fremden Gedanken von sich fern halten. Nein sie war kein Monster! Nicht einmal „Unser Monster“, wie in Mums Gedanken! Nein, das schon gar nicht.
Am nächsten Morgen stiegen nur noch vereinzelt Qualmwölkchen aus dem niedergebrannten Haus der Mc Faddens. Samuel Mc Fadden hielt seine zitternde Frau in den Armen. „Nicht auch noch Abea, nicht auch noch Abea!“
Weihnacht
die botschaft
vernahm ich wohl
allein
der glaube
fehlt
ich hoffe
das kind wird
noch geboren
in dessen namen
kein gewehr geweih-
nachtet wird
bis dahin
meine hand
denen die sagen
du sollst nicht töten
es nicht tun
vernahm ich wohl
allein
der glaube
fehlt
ich hoffe
das kind wird
noch geboren
in dessen namen
kein gewehr geweih-
nachtet wird
bis dahin
meine hand
denen die sagen
du sollst nicht töten
es nicht tun
und andere
nicht tun lassen
meinen sack
fülle ich
mit kalaschnikows
geladen mit
meinen sack
fülle ich
mit kalaschnikows
geladen mit
frieden
Wieder ist eine Stunde um.
Auf dem Schreibtisch liegt eine verschmierte Notiz. „Von einem etwa zehnjährigen Mädchen, welches ein Armeeangehöriger namens Mc Fadden oder wie auch immer angeblich aus dem Krieg mitgebracht haben will, ist im Stab nichts bekannt.“ Mir ist so egal, ob Sam sich Abea ausgedacht hat, um sich vielleicht für ein Kind zu entschuldigen, das dank seines Einsatzes gestorben ist, er bei mir nur Bestätigung sucht, dass er nicht anders hätte handeln können, oder was auch immer. Ich habe mein Geld damit verdient zuzuhören. Ich möchte nicht mehr darüber reden. Ich verabschiede den halb mumifiziert wirkenden Mann mit einem Händedruck. Die letzten Worte seiner Geschichte klingen in mir nach: „Für einen Moment, einen winzigen, aber eben einen vorhandenen Moment, ging mir durch den Kopf. Ach wäre sie doch damals schon mit verbrannt …“
radikal
genug!
endlich
erwartung
endlich
erwartung
dass es
rumst
dass sich
was ändert
und ich
dass sich
was ändert
und ich
bin dabei
ich habe es satt
immer nur
unschuldig zu sein
und damit
mitschuldig
Die Erzählung "Abea erschien in der Anthologie "Mein außerirdischer Liebhaber", die Gedichte im Lyrikband "worträume" bzw. sind Kandidaten für einen nachfolgenden Band "Worträume 2.0"
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